Fährschiff­fahrt

Fähren dienen dem Übersetzverkehr von Menschen, Fahrzeugen und Gütern über ein Gewässer. Moderate Distanzen und ein regelmäßiger Betrieb begünstigen in diesem Anwendungsfeld den Einsatz von Batteriespeichern. Wesentlichen Einfluss auf die Batterieauslegung hat dabei die verfügbare Ladeinfrastruktur. Der erfolgreiche Einsatz vollelektrischer Fähren in Skandinavien könnte Vorbild für eine wirtschaftlich attraktive und emissionsfreie Fährschifffahrt sein.

Referenzen


Relevanz des Anwendungsfeldes

Im Bereich freifahrender Fähren lassen sich seegehende, d. h. zur Fahrt auf hoher See bestimmte Fähren von Binnenfähren unterscheiden. Während seegehende Fähren zur Absicherung ihrer Wirtschaftlichkeit einen hohen Frachtanteil benötigen, haben Binnenfähren ihren Schwerpunkt in der Personen- und Fahrzeugbeförderung.1 Wie alle Verkehrsmittel, die bislang auf fossile Energiequellen setzen, sollen auch Fähren künftig ressourcenschonend und mit reduzierten Emissionen von Treibhausgasen, Stickoxiden und Feinstaub betrieben werden.

Im Unterschied zur reinen Güterschifffahrt zielt die Fährschifffahrt nicht primär auf eine Maximierung der Zuladungslast für Schüttgüter und Container. Vielmehr geht es hier um die Maximierung der Beförderungskapazitäten für Passagiere und Fahrzeuge. Deren Gewicht und Volumen spielen bei der Schiffsauslegung eine vergleichsweise untergeordnete Rolle – so verbleiben grundsätzlich mehr Raum und mehr Tragfähigkeit für die Unterbringung von Batterien. Unter bestimmten Bedingungen – überschaubare Strecken, regelmäßige Verbindungen und passende Ladeinfrastruktur – kann der Einsatz vollelektrischer Fähren eine ernstzunehmende Alternative zu herkömmlichen Antriebskonzepten sein.

1 Wikipedia (2020): Fähre. 
Link ↗ (Zugriff am 14.01.2021).

Der erfolgreiche Einsatz batterieelektrischer Fähren reicht bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Die Rheinfähre zwischen Bonn-Bad Godesberg und Königswinter- Niederdollendorf nahm am 08. Juli 1908 erfolgreich ihren Betrieb auf.2 In der modernen vollelektrischen Fährschifffahrt ist, wie auch bei alternativen Antriebskonzepten in der Schifffahrt allgemein, Skandinavien Vorreiter. So nahm Norwegen 2015 die seit Kriegsende weltweit erste batterieelektrische Fähre „Ampere" in Betrieb; 2019 legte Dänemark mit der bislang größten batterieelektrischen Fähre „Ellen" nach.3

Fähren spielen im lokalen und (über-)regionalen Passagiertransport eine bedeutende Rolle: Allein auf den beiden Hamburger Fährlinien wurden im ersten Halbjahr 2019 knapp 5 Millionen Fahrgäste befördert, Tendenz steigend.4 Auf dem Bodensee nutzten im Zeitraum von April bis Juli 2019 knapp 1,2 Millionen Passagiere die dort verkehrenden zwölf Fährlinien.5 Die häufigsten Gründe für Fährfahrten sind Freizeit- und Urlaubsreisen. Die Nutzung im Rahmen des Arbeitsweges oder zu geschäftlichen Zwecken fällt dagegen gering aus.


Einsatz von Batteriespeichern


Das besondere Fahrprofil von Fähren legt, im Unterschied zu anderen Schiffstypen, eine Vollelektrifizierung nahe. Wo das Zusammenspiel von Distanz, Fahrplantaktung und Landstromversorgung dies erlauben, können Batterien die gesamte Energieversorgung der Schiffe übernehmen. Je länger die Fahrstrecke, desto höher ist der Bedarf an Ladedauer und Ladeleistung im Hafen.

2 Bläser, Peter (1992): Eine Betrachtung zur Geschichte des Fährwesens zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf.
Link ↗ (Zugriff am 14.01.2021).

3 Pluta, Werner (2019): Dänemark stellt größte Elektrofähre in Dienst.
Link ↗ (Zugriff am 14.01.2021).

4 Bürgerschaft der Freien Hansestadt Hamburg (2019): Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 11.10.19 und Antwort des Senats. Drucksache 21/18641 vom 18.10.2019.
Link ↗ (Zugriff am 14.01.2021).

5 Domgörgen, Franz (2019): Bei Fahrgastzahlen auf Bodensee und Rhein ist dieses Jahr noch Luft nach oben.
Link ↗ (Zugriff am 14.01.2021).

Für seegehende Fähren ist auch der Einsatz von Brennstoffzellen eine vielversprechende Option. Entsprechende Konzepte benötigen ebenfalls Batteriespeicher zur Optimierung der Energieeffizienz, befinden sich aber noch im Forschungsstadium. Eine Vorreiterrolle spielt hierbei das neu etablierte europäische Forschungsprojekt „HySeas III" mit acht Partnern aus sechs Ländern. In seinem Rahmen soll die erste hochseefähige Fähre mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb entwickelt werden.6

Ein Beispiel für die Hybridisierung von herkömmlichen Verbrennungsmotoren mit batterieelektrischem Antrieb bietet die schwedische Reederei Stena Line mit derzeit 14 Fähren, die während der Hafenliegezeit in Kiel sowie in vier weiteren Häfen des Routennetzwerks Landstrom beziehen. Die jährlichen Einspareffekte sind mit 13.000 t CO2 bemerkenswert.7 Bezieht man dies auf den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der 2019 neu zugelassenen PKW in Deutschland von 157 g/km, so entspricht diese Einsparung rund 83 Millionen PKW-Kilometern.8 Zudem werden durch die Hybridisierung Stickoxid- und Partikelemissionen in den Häfen sogar vollständig vermieden.7


Performance-Anforderungen


Batteriespeicher in der Fährschifffahrt müssen vor allem sicher und robust sein. Wie in der Schifffahrt generell, sind Brände auf Fähren zwingend zu vermeiden, da Lösch- und Rettungsarbeiten, besonders bei seegehenden Fähren, mit größten Schwierigkeiten verbunden sind. Deshalb sollten die verwendeten Batterien geringstmögliche Risiken hinsichtlich Entflammbarkeit und Explosionsgefahr aufweisen.

Die Schnellladefähigkeit ist ein Faktor, der sich in Verbindung mit einer Landstromversorgung günstig auf die Batteriedimensionierung und die Fahrplangestaltung auswirkt: Je schneller die Batterie geladen werden kann, desto enger kann der Fahrplan getaktet bzw. desto kleiner können die Batterien bei gegebenen Lademöglichkeiten dimensioniert werden. Häufig ist im Fährbetrieb von mehreren Lade- und Entladezyklen täglich auszugehen. Die Lebensdauer der Batterien, gemessen in Ladezyklen, ist daher von zentraler Bedeutung für die Investitionssicherheit.

Mit Blick auf den Nachrüstmarkt ist zu bedenken, dass Batterien in bereits bestehende Schiffskörper integriert werden müssen. Die Minimierung des Platzbedarfs für die Speicher kann deshalb von entscheidender Bedeutung für die Realisierbarkeit sein. Dies kann das Zusammenspiel von Tiefentladefestigkeit, Schnellladefähigkeit und hoher Energiedichte leisten. Ebenso für den Nachrüstmarkt relevant sind die Anforderungen an die Umhausung: Hier entscheidet die Sicherheit des Batteriespeichers darüber, ob ein teurer explosionsgeschützter Raum entbehrlich ist.


6 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) (2018): DLR mit an Bord bei Entwicklung der weltweit ersten hochseefähigen Wasserstoff-Fähre mit Brennstoffzelle.
Link ↗  (Zugriff am 14.01.2021).

7 Stena Line (2020): Stena Line mit Landstromversorgung in Kiel.
Link ↗  (Zugriff am 14.01.2021).

8 Deutsche Energie-Agentur (dena) (2020): Entwicklung der Neuzulassung CO2-effizienter PKW 2019 und 2020.
Link ↗ (Zugriff am 15.01.2021).

Marktausblick

Die Datenlage zum Marktvolumen in der Fährschifffahrt ist äußerst zerklüftet. Die Shippax-Datenbank beziffert die Anzahl aktiver seegängiger Fähren auf mehr als 7.300, von denen etwa 1.000 auf Kurzstrecken in Skandinavien eingesetzt werden.9 Für das Segment der Binnenfähren liegen keine frei zugänglichen Quellen vor.10

Bei Fähren gibt es, wie bei Großschiffen allgemein, keine Serienproduktion. Daher gilt der Grundsatz der Individualplanung auch für die Batterieauslegung in der Fährschifffahrt. Orientierung bieten Fähren, die bereits im Einsatz sind: Die dänische Fähre „Ellen" ist mit einem Batteriespeicher von 4,3 MWh Kapazität ausgestattet. Damit werden zwei Antriebsstränge mit je 750 kW Leistung und zwei Seitenruder mit je 250 kW Leistung betrieben. Mit einer Ladeleistung von 4,4 MW im Hafen von Fynshav könnte der Batteriespeicher innerhalb einer Stunde vollständig geladen werden. Mit dieser Auslegung überbrückt die Ellen sieben Mal am Tag eine Distanz von gut 40 km.2

Das Marktvolumen für den Einsatz von Batteriespeichern ergibt sich aus dem Nachrüstmarkt und dem Schiffsneubau. Ein wesentlicher Treiber werden lokale Emissionsschutzverordnungen sein.

9 Shippax (2021): Shippax Online Database.
Link ↗ (Zugriff am 12.01.2021).

10 Die wohl umfangreichste Datenbasis bietet die kostenpflichtige Studie 360° Research Reports (2020): Global and Japan River Ferries Market Insights, Forecast to 2026.
Link ↗

2 Bläser, Peter (1992): Eine Betrachtung zur Geschichte des Fährwesens zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf.
Link ↗ (Zugriff am 14.01.2021).