Wie Deutschland das „Death Valley“ überwindet
Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will Innovationen stärker fördern. Für Technologie-Start-ups ist das ein gutes Zeichen. Denn sie müssen hierzulande das berüchtigte „Death Valley der Innovation“ überwinden.
Bereits im Koalitionsvertrag zeichnete sich ab: Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD will technologische Innovationen „Made in Germany“ fördern und dadurch das Wirtschaftswachstum in Zukunftsmärkten ankurbeln.
Nun macht die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ernst. Auf einer Technologiekonferenz in Heilbronn betonte sie, dass sie junge Unternehmen stärker finanziell fördern wolle. Bisher seien Technologie-Start-ups häufig abhängig von Kapital aus dem Ausland. Um dies zu ändern, müsse mehr privates Kapital in Deutschland mobilisiert werden. Der Bund will dabei helfen.
Konkret bedeutet das: Die staatlichen Mittel der Initiative für Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland (WIN), die bereits von der Ampel-Regierung angestoßen wurde, sollen auf 25 Milliarden Euro verdoppelt werden. Ziel der Initiative ist es, Innovationen in Deutschland gemeinsam mit Bund und privaten Investoren wie Banken und Versicherungen zu fördern. Der Beitrag des Bundes besteht vor allem darin, Sicherheiten für die privaten Anleger zu garantieren und Investitionen in Technologie-Start-ups hierzulande attraktiver zu machen.
Der Vorstoß der Ministerin ist grundsätzlich nachvollziehbar. Als Mitgründer eines Batterie-Start-ups weiß ich aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, eine neue Technologie von der Entwicklung in die Serienproduktion zu bringen. Der Weg dorthin dauert oftmals Jahre und kann trotz erfolgreicher Prototypen, Patente und Serienreife steinig sein – oder im schlimmsten Fall einfach enden.
Große Lücke zwischen Seed- und Growth-Phase
Denn Start-ups, die neue Technologien entwickeln, müssen nicht nur jahrelange Arbeit in Forschung und Entwicklung stecken, sondern auch das sogenannte „Death Valley der Innovation“überwinden.
Das „Death Valley der Innovation“ tut sich genau dort auf, wo zwischen der Frühfinanzierungsphase (Seed) und der Wachstumsfinanzierungsphase (Growth) eine gewaltige Lückeklafft. Gerade für Start-ups mit disruptiven Innovationen ist diese Finanzierungslücke oft tödlich. Besonders betroffen sind Deeptech-Start-ups, weil hier hohe Investitionen in Pilotfertigung und Validierung notwendig sind. Förderprogramme greifen oft nicht, Investoren scheuen das Risiko und Banken verlangen Sicherheiten, die junge Unternehmen nicht geben können.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, dieses „Tal des Todes“ zu überwinden. Als Batteriepioniere haben wir eine neue Grundlagentechnologie entwickelt, die Batterien sicherer, langlebiger und grüner macht. Trotz herausragender Tests und Serienreife unserer Prototypen ist es unglaublich schwer, Investoren und Partner für die Serienproduktion und damit für den Markteintritt in Deutschland zu finden.
Der Ausweg aus dem „Valley“ ist oftmals der Umweg über ausländische Investoren. In unserem Fall haben wir uns für einen doppelten Ansatz entschieden: Unsere Technologieentwicklung finanzieren wir über ein Aktienmodell für private Anleger. Das können sowohl Kleinaktionäre als auch größere finanzstarke Family Offices sein. Weil dieses Modell für Start-ups in Deutschland bisher eher unüblich ist, haben wir eine Holding in der Schweizgegründet. Diese nicht börsennotierte Aktiengesellschaft ermöglicht uns den Verkauf von Unternehmensanteilen mit einer einheitlichen Aktienklasse, ohne Kapitalrunden und ohne Verwässerung.
Der Staat muss Investitionen flankieren
Als Technologieentwickler bieten wir für eine Serienproduktion den Zugang zu unserer Batterietechnologie im Wege der Lizenzierung. Dafür haben wir unsere Technologie in 96 Ländern weltweit zum Patent angemeldet. Nur: Bisher haben wir zwar einen Lizenznehmer für Deutschland gefunden, aber keine Partner, um die Produktion in dem erforderlichen Maße zu finanzieren und aufzubauen. Aus diesen Gründen haben auch wir unsere Suche nach weiteren Investoren ins Ausland verlagert. Momentan insbesondere in die USA.
All diese Ansätze sind wie gesagt Umwege, um das „Death Valley der Innovation“ zu umgehen. Umso wichtiger ist, dass die neue Wirtschaftsministerin zwei Punkte erkannt hat, die Unternehmen wie unserem helfen würden, Innovationen „Made in Germany“ voranzubringen.
Erstens: Die Regierung hat angekündigt, private Investitionen mobilisieren zu wollen. Dafür braucht es gezielte, staatlich flankierte Instrumente für die kritische Phase, die ein junges Unternehmen überwinden muss. Die WIN-Initiative kann hier ein geeignetes Werkzeug sein. Bisher war die finanzielle Ausstattung angesichts der Bedeutung der Zukunftsmärkte und der teils staatlich subventionierten Konkurrenz aus China und den USA zu gering. Die Verdoppelung des Kapitals ist daher richtig. Ob es wirklich ausreicht, wird sich zeigen.
Zweitens: Noch wichtiger als der eigene finanzielle Beitrag des Bundes ist die Hebelwirkung, die er erzeugt. Viele bisherige Förderungen der öffentlichen Hand verlangen einen Eigenanteil, den junge Unternehmen nicht aufbringen können – gerade dann nicht, wenn Banken ohne Förderzusage kein Kapitalbereitstellen. Und auch private Investoren scheuen in Deutschland häufig das Risiko eines frühen technologielastigen Investments. Es ist ein Henne-Ei-Dilemma, dem Start-ups gegenüberstehen.
Wir brauchen mehr Mut zur Innovation
Wenn die neue Regierung nun Sicherheiten garantiert und damit das Investitionsrisiko für andere Anleger senkt, ist das ein sehr wichtiger Schritt, der das Potenzial hat, tatsächlich mehr privates Kapital in den Aufbau neuer Technologien umzuleiten. Technologie-Start-ups würden davon profitieren, vor allem wenn Anreize geschaffen werden, die Investitionen zu nutzen, um das „Death Valley“ zwischen Seed- und Growth-Phase zu überbrücken. Denn letztlich geht es nicht darum, dass der Staat allein subventioniert, sondern darum, möglichst attraktive Anreize für private Investoren zu schaffen und Zukunftsmärkte gemeinsam voranzubringen.
Insgesamt macht der Vorstoß der Wirtschaftsministerin also Hoffnung. Als Gründer und Batteriepionier bin ich überzeugt, dass wir in Deutschland mehr Mut zur Innovation brauchen – nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft als Ganze. Dazu gehört auch eine stärkere privatwirtschaftliche Investitionsbereitschaft in neue bahnbrechende Technologien, die vielleicht noch nicht den Markt erobern, aber das Zeug dazu haben.
Nur so kann Innovation „Made in Germany“ international wieder wettbewerbsfähig werden – insbesondere in Märkten wie der Batterieindustrie, die für den Automobilstandort Deutschlandebenso wichtig ist wie für die erfolgreiche Energiewende. Ministerin Reiche ist also zu wünschen, ihren Ankündigungen mutige Taten folgen zu lassen. Dazu zählen neben Initiativen wie WIN auch flankierende Maßnahmen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Akzeptanz für Innovation in Deutschland – auf allen Ebenen.