19.02.2025 at 15:50
Energate Messenger

Deutschland liegt im Death Valley der Innovation

Bonn (energate) - Das Bonner Unternehmen High Perfomance Battery (HPB) hat einen Feststoff-Akku zur Serienreife entwickelt. Die Technologie eignet sich für zahlreiche Anwendungen, von stationären Speichern über Ladeinfrastrukturen bis hin zum Mobilitätssegment. energate sprach mit Sebastian Heinz, CEO von HPB, über die Batterietechnologie, das Lizenzsystem des Unternehmens, den Schwierigkeiten der deutschen Start-up-Szene und dem intensiven Wettbewerb im Batteriemarkt.

 

energate: Herr Heinz, Sie haben als Cleantech-Start-up eine neuartige Batterietechnologie entwickelt. Was macht Ihre Feststoff-Batterie aus?

Heinz: Wir sind als Technologieentwickler mit der Frage gestartet, wie man die Batteriealterung an der chemischen Wurzel auflösen kann. Dahinter stehen Fragen der Nachhaltigkeit: Wie viele Batterien brauchen wir wirklich? Wie lange können Batterien im First Life halten? Die Beantwortung dieser Fragen liegt in den chemischen Eigenschaften der Batterie und genau das ist es, wo wir stark sind.

energate: Was sind die wesentlichen Alterungseffekte einer Batterie?

Heinz: Im Grunde gibt es zwei wesentliche Alterungseffekte, die für die Nutzung von Batterien Einschränkungen darstellen. Der erste Effekt ist eine Kapazitätsabnahme über die Zeit und der zweite Effekt ist eine Innenwiderstandszunahme über die Zeit. Beide Effekte korrelieren miteinander. Es gibt bei den herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus sowohl beim Laden als auch Entladen Nebenreaktionen, die zu einer Deckschichtbildung vornehmlich auf der negativen Elektrode führen.

HPB verhindert Deckschichtbildung

energate: Was genau heißt das?

Heinz: Die Bildung der Deckschicht verbraucht Kapazität. Da diese Schicht eine im Vergleich zum Elektrolyten schlechtere ionische Leitfähigkeit besitzt, steigt der Innenwiderstand. Die Deckschicht wächst mit jedem Gebrauch immer weiter auf. Das ist ähnlich wie bei einem Baum, bei dem die Jahresringe aufwachsen. Die Deckschicht wird umso dicker, desto robuster die Batterie beansprucht wird. Bei einem Baum ist es ein nasses Jahr, das einen dicken Jahresring produziert und ein trockenes Jahr, das einen dünnen Jahresring produziert. Auf die Batterie übersetzt ist Schnellladung ein nasses Jahr für die Batterie. Die Deckschicht setzt sich also besonders dick auf. Anders gesagt: je mehr ich eine Batterie beanspruche, desto schneller wächst die Deckschicht.

energate: Wenn also die Deckschicht zu groß wird, steigt der Innenwiderstand. Was passiert dann?

Heinz: Dann ist der Tipping-Point erreicht. Das ist in der Regel so um die 130 Prozent Innenwiderstand im Vergleich zum "Begin of Life" der Fall. Ab diesem Punkt lässt sich ein exponentieller Anstieg der Risiken der weiteren Entwicklungen beobachten. Und genau damit sind auch die Sicherheitsrisiken verbunden, die wir von Batterien kennen.

energate: Und Ihre Technologie verhindert diese Deckschichtbildung?

Heinz: Richtig. Uns gelingt es, dieses Deckschichtwachstum im Keim zu unterdrücken. Bei uns bildet sich nur im ersten Zyklus eine solche Schicht, danach bleibt sie monomolekular dick, ganz egal wie stark ich die Batterie beanspruche. Wir haben also einen quasi konstanten Innenwiderstand über die gesamte Lebensdauer hinweg. Anders gesagt: wir können die Energie immer mit derselben Leistung aus der Zelle herausholen. Das ist ein wesentlicher Punkt, um die Alterung von Batterien zu begrenzen.

Unterschiede zur Lithium-Ionen-Batterie

energate: Basiert die gesamte Technologie auf der Basis von Lithium-Ionen-Batterien?

Heinz: Ja und nein. Ja, es handelt sich um ein Lithium-Ionen-System. Der wesentliche Unterschied ist, dass unser Elektrolyt fest und nicht mehr flüssig ist. Wir befinden uns nicht mehr in der organischen, sondern in der anorganischen Chemie. Das besondere im Vergleich zu anderen Feststoffakku-Vorhaben ist, dass wir diese feste Substanz direkt in der Zelle herstellen, wir brauchen also keinen externen Schritt.

energate: Wird das System dadurch günstiger?

Heinz: Die Produktionskosten sind vergleichbar. Es gibt jedoch zwei Komponenten, bei denen wir etwas teurer sind. Wir brauchen als Ableitermaterial Nickel statt Kupfer und Aluminium, weil es ansonsten zu Korrosionsreaktionen mit unserem Festionenleiter kommt. Aus demselben Grund brauchen wir ein Edelstahlgehäuse statt des günstigeren Aluminiumgehäuses. Dennoch kommen wir am Ende bei den Produktionskosten auf einem vergleichbaren Niveau heraus.

energate: Welchen Einsatzzweck haben die von Ihnen entwickelten Batterien?

Heinz: Der Einsatzzweck erstreckt sich für unsere Grundlagentechnologie über nahezu alle Anwendungsfelder, vom Heimspeicher bis zum Industriepuffer. Es gibt da eine Fülle von Anwendungsfällen. Ich bin zudem ein großer Fan davon, Synergieeffekte zu heben. Ich glaube, dass wir gut daran tun, wenn wir Potenziale von Technologien gemeinsam denken. So gibt es beispielsweise Synergieeffekte bei der Wasserstoffproduktion und Windrädern mit Einsatz von Batteriespeichern. Da gibt es Potenziale, die wir heute noch überhaupt nicht für das Stromsystem nutzen.

Lizenzmodell und die deutsche Start-up-Unterstützung

energate: Wie viele Start-ups stehen Sie vor der Herausforderung, Ihre Technologie in Form einer Serienfertigung zu industrialisieren. Dabei setzen Sie auf ein Lizenzmodell. Worin liegen in diesem Modell die Vorteile?

Heinz: Wir haben unsere Technologie in 96 Ländern zum Patent angemeldet. Wir sind nicht so vermessen zu glauben, dass wir in all diesen Ländern diejenigen sind, die das alleine umsetzen können. Unser Grundsatz ist es, über Technologietransfer die Teilhabe an unserer Innovation zu ermöglichen und so neue Anwendungsfelder zu erschließen. Deshalb teilen wir die Technologie über das Lizenzmodell in verschiedene Marktsegmente auf und suchen dafür Partner, die dort besonders gut sind und das ökonomische Potenzial dieser Technologie voll heben können. Wir konzentrieren uns auf die Technologieentwicklung, hier sind wir Vorreiter.

energate: Auf Start-ups, die neue Technologien in den Markt bringen, ruhen vielerorts große Hoffnungen - auch über den Speichermarkt hinaus. Wie fühlen Sie sich in der deutschen Gründerszene unterstützt? Sehen Sie Nachholbedarf?

Heinz: Ich glaube, dass wir in Deutschland und Europa eine systematische Baustelle für Technologieinnovationen haben. Es gibt die Investorengruppe der Seed-Finanzierer, also Venture Capital, die Start-ups in der Frühphase finanzieren. Diese Gruppe ist aber selten willens, die gesamte Kostensituation bis zur ersten Produktionslinie mitzutragen. Auf der anderen Seite stehen Wachstumsfinanzierer, die steigen bei der erreichten Serienproduktion ein und helfen, diese zu skalieren. Der Bereich dazwischen wird nicht bedient, das ist das Death Valley der Innovation. Wir schippern da durch, weil unser Finanzierungsmodell über Privatinvestoren läuft. Dadurch bekommen wir mehr Zeit und Möglichkeiten.

energate: Also würden Sie sich mehr Unterstützung wünschen?

Heinz: Ja, das muss so auch einmal unumwunden gesagt werden dürfen. Ein Beispiel wäre die Bundesagentur für Sprunginnovationen in Deutschland, Sprind. Die soll helfen, über die Schwelle der ersten Serienproduktion zu kommen. Aber die zur Verfügung gestellten Mittel reichen bei Weitem und strukturell nicht aus. Da gibt es ein systematisches Auseinanderklaffen. Die Palette der Herausforderungen ist groß und die Mentalität für Innovationsförderung ist im außereuropäischen Ausland sehr viel flexibler.

Konkurrenz aus dem Ausland und Alleinstellungsmerkmale

energate: Sie agieren in einem Markt, der bereits heute stark von chinesischen und amerikanischen Firmen vorangetrieben wird. Braucht es echte Alleinstellungsmerkmale, um als europäisches Unternehmen überleben zu können?

Heinz: Ich glaube, dass der explodierende Markt, also die Nachfrage aus der Energie- und Mobilitätswende ohnehin dazu führt, dass wir mit den aktuellen Produktionskapazitäten den Bedarf nicht decken können. Auch wenn jetzt im Moment die Märkte geschwemmt werden durch Überproduktion für Elektroautos. Aber die Herausforderung, die wir meistern müssen, betrifft auch die Frage von Investitionssicherheit. Die Langlebigkeit zum Beispiel, die unsere Batterien mitbringen, hat eine wirtschaftliche Implikation, und zwar direkt. Der Wettbewerb mit den Chinesen ist hart, weil wir Skalierungsnachteile haben. Unsere Technologie ist aber die überzeugend bessere. Im Moment kippen einige Vorhaben in Europa. Mir tut das weh, weil wir in diesen Strudel mit hineingerissen werden, obwohl wir eine signifikant bessere Technologie haben.

energate: Sie haben auch eine Kooperation mit dem Start-up Cylib aus Aachen verkündet. Diese zielt insbesondere auf das Recycling ab. Ist eine stärkere Nachhaltigkeit in Bezug auf Wertstoffe eine der Stärken ihres Produkts?

Heinz: Absolut. Unsere Technologie ist langlebiger, es können mehr Zyklen gefahren werden. Das ist sowohl ein ökonomischer als auch ökologischer Unterschied. Mehr Zyklen bedeutet auch weniger Batteriebedarf. Unsere Antwort auf das Speicherproblem ist eine bessere Technologie, die weniger Ressourcen braucht. Das ist dann noch immer ein gigantischer Bedarf, aber mit einem einfach zu rezyklierenden System habe ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ich brauche weniger Batterien, die länger halten, die mehr können, die nachhaltiger sind und die am Ende des Tages auch noch leichter in der Rückgewinnung sind.

Blick in die Zukunft

energate: Was muss jetzt passieren, damit ihr Produkt auf den Markt kommen kann?

Heinz: Wir arbeiten zusammen mit unseren Lizenznehmern an der Gesamtfinanzierung für die Serienproduktion. Die Serienproduktion ist unser nächster Schritt. Wir sind mit den Anlagenbauern so weit vorbereitet, dass wir ab dem Vorliegen der Finanzierung innerhalb von 18 Monaten die Maschinen geliefert bekommen können. Mit weiteren sechs Monaten Versatz wollen wir in die Steady-State-Produktion kommen. Wir sind bereit, eine innovative, saubere Technologie aus Deutschland in die Welt zu bringen. /rh